Das Graves-Modell baut auf verschiedenen Entwicklungsstadien der Werte und Handlungsweisen von Personen, Menschen und Teams auf, die jedoch nicht gewertet werden. Es geht vielmehr um die “Passung” von Werten, Strategien, Handlungen und den jeweiligen situativen Umweltbedingungen. Folglich existiert kein besser oder schlechter, sondern es gibt nur Schwerpunkte und Entwicklungsmöglichkeiten.

Das Modell erlaubt die Analyse aufeinander evolutionär aufbauender Wertesysteme und damit verbundenen Weltanschauungen und Handlungen. Es gibt Hinweise auf die Motivationsstrukturen und darüber, wie sich Menschen und Organisationen bei verändernden Umweltbedingungen entwickeln. Die acht aufeinander aufbauenden Entwicklungsstadien und die Wirkung auf das Ich und die Organisation im Einzelnen:

 

Level 1: Existieren, Überleben und Bedürfnisse befriedigen

Die Befriedigung der elementaren Grundbedürfnisse mit der Sicht auf eine feindliche Umwelt umschrieb Brecht mit „Erst kommt das Fressen und dann die Moral“. Der Modus: „survival of the fittest a la Darwin“ in der Sippenorganisation.

„Meine Existenz dreht sich um das Überleben. Ich verwende meine Energie darauf, am Leben zu bleiben und meine körperlichen Grundbedürfnisse zu befriedigen, so dass ich nicht hungrig oder durstig bin. Da ich meine Art fortpflanzen muss, reagiere ich auf sexuelle Impulse wenn sie auftreten. Ich weiß nicht, was du mit ‚Zukunft, Pläne schmieden, für schlechte Zeiten vorsorgen oder Selbst‘ meinst. Mein Körper sagt mir, was ich zu tun habe, und ich werde von meinen Sinnen getrieben, nicht so sehr von einem bewussten Verstand.“

 

Level 2: Magie, Mystik und Stammesdenken

Natürliche Phänomene suchen nach einer Erklärung. Es entstehen Kulte und magische Praktiken. Der Führer ist anzuerkennen und diktiert die Unterwerfung vor „dem Gott“. Die Stammestradition hat ihre eigenen Rituale.

„Wir suchen Geborgenheit und Sicherheit für unseresgleichen in Blutsverwandtschaft, ausgedehnten Familienbindungen und magischen Kräften, die in die Geisterwelt reichen. Wir ehren die Sitten unserer Vorfahren als heilig, denn sie sind stets mit uns. Unser Leben ist voll von jahreszeitlichen Ritualen, Übergangsriten, traditioneller Musik und Tanz. Wir streben durch feierliche Handlungen danach, in Übereinstimmung mit der Natur zu leben.“

 

Level 3: Egoismus, Kampf und Power

In der Rückbesinnung auf die eigene Macht und Stärke strahlt die  Durchsetzungsfähigkeit des Stärksten am charismatischsten. Organisatorisch ist das der autoritäre Chef mit seiner Bande und den Gesetzen der Straße.

„Das Leben ist ein Dschungel. Der Tüchtigste überlebt. Ich bin ein zäher Bursche und erwarte dasselbe von anderen. Ich übernehme Verantwortung für andere und unterwerfe die Natur meinem Willen. Achtung und Ansehen sind wichtiger als das Leben selbst, also tut man alles, um nicht unterdrückt oder beschämt zu werden. Wenn man etwas wert ist, lässt man sich von niemandem etwas gefallen – man zahlt alles heim. Was immer Du auch zu tun hast: Du tust es ohne ein schlechtes Gewissen. Nichts und niemand kann Dir im Wege stehen. Der gegenwärtige Augenblick ist alles was es gibt, also tue ich, was mir gefällt. Über Dinge, die noch nicht geschehen sind, macht man sich keine Sorgen. Ich bin alles was ich habe und ich werde es schaffen oder daran zugrunde gehen.“

 

Level 4: Loyalität, Hierarchie und Sinn

Sinn und Ordnung im Leben lassen Weltanschauungen und Religionen und damit Hierarchien und Wahrheitsanspruch entstehen. Die Organisation hat geheime Spielregeln die nur kennt wer dabei ist. Organisatorisch bedeutet das Zuständigkeitsbereiche definieren und Verantwortung statt Systemorientierung. Mitunter aber auch Opfer-Täter Verstrickungen und ein gefangen sein im Wenn-Dann.

„Eine einzige leitende Macht beherrscht die Welt und bestimmt unser Schicksal. Ihre immerwährende Wahrheit gibt allen Aspekten des Lebens Struktur und Ordnung und sie herrscht auch im Himmel. Mein Leben hat eine Bedeutung, weil die Flamme der Erlösung in meinem Herzen brennt. Ich folge dem Weg meiner Berufung, der mich an etwas bindet, das größer ist als ich: eine Sache, ein Glaube, eine Tradition, eine Organisation oder Bewegung. Ich stehe ein für alles, was richtig, anständig und gut ist, wobei ich mich stets den Anweisungen der rechtmäßigen Autoritäten unterwerfe. Ich opfere bereitwillig meine Wünsche und Begierden in der Gegenwart, weil ich weiß, dass in der Zukunft etwas Wundervolles auf mich wartet.“

 

Level 5: Wettbewerb, Erfolg und Konkurrenz

Das Benchmarking zeigt den Weg wo man jemanden toppen kann. Persönliche Nutzenmaximierung, Materialismus und Kapitalismus sind Teil der Organisation. Leistungsorientierung lässt den Besseren gewinnen. Das Vergleichen endet im Urteil und damit in der Trennung von sich selbst.

„Ich möchte etwas erreichen und vorwärtskommen in meinem Leben. Die Welt ist voll von Gelegenheiten für denjenigen, der sie zu nutzen weiß und Risiken klug kalkuliert. Nichts ist sicher, aber wenn Du gut bist, erkennst Du Deine Chancen und entscheidest Dich für die beste unter vielen Möglichkeiten. Du musst an Dich selbst glauben, alles andere stellt sich ein. Du missachtest Strukturen und Regeln, wenn sie den Fortschritt aufhalten. Stattdessen schaffst Du Verbesserungen, indem Du Deine Erfahrungen praktisch umsetzt. Ich vertraue in meine Fähigkeiten und möchte etwas in der Welt bewirken. Sammle Informationen, mache einen Plan und lass Dich dann nicht zurückhalten.“

 

Level 6: Team, Gruppenbildung und gemeinsames Handeln

Hier das WIR vor dem ICH, aus der Erkenntnis heraus, daß es gemeinsam, im Team synergetisch oft besser geht. „Soziale Netzwerke und nur zusammen etwas zu unternehmen bringt noch keinen Gewinn“ weist den Weg auf Level 5 zurück. Große Themen brauchen breite Expertise, Kooperation und einen gemeinsamen Geist. Ohne Teamgeist und seelisches Miteinander landen wir wieder im Ego.

„Das Leben ist dazu da, jeden Moment erfahren zu werden. Wir alle können verstehen wer wir sind und wie wunderbar es ist, ein Mensch zu sein, wenn wir nur akzeptieren, dass wir alle gleich und alle wichtig sind. Alle müssen teilhaben an der Freude des Zusammenseins und der Erfüllung. In unserer Gemeinschaft ist jeder Geist mit allen anderen verbunden, alle Seelen reisen gemeinsam. Wir sind alle aufeinander angewiesen und wir suchen nach Liebe und Zugehörigkeit. Die Gemeinschaft wächst, indem sie die Lebenskräfte bündelt; künstliche Unterscheidungen schaden nur. Für diejenigen, die sich dafür öffnen, gibt es eine immerwährende Ordnung im Universum. Schlechte Gewohnheiten und negative Überzeugungen lösen sich auf, wenn wir das Innere eines Menschen erkennen und seinen inneren Reichtum erfahren. Friede und Liebe für alle.“

 

Level 7: Komplexität, systemisches Denken und Handeln

Zunehmende Komplexität braucht kreative Denkstrukturen und Flexibilität. Ein freiheitlich, autonomes Denken in Möglichkeiten. Selbstorganisation braucht Vertrauen und selbststeuernde Einheiten. Diese Welt ist ohne Vertrauen, also Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein nicht möglich.

„Einer aus den Fugen geratenen Welt, die durch die angehäuften Wirkungen der ersten sechs Wertsysteme auf die Umwelt und die Menschen gefährdet ist, muss die Lebensfähigkeit wiedergegeben werden. Der Sinn des Lebens besteht darin, unabhängig zu sein, soweit dies vernünftig ist, so reich an Kenntnissen wie möglich und so liebevoll wie realistisch. Nichtsdestoweniger bin ich mein eigener Herr, verantwortlich für mich selbst, eine Insel in einem Archipel von anderen Menschen. Sich einem natürlichen Pfad entlang zu entwickeln, ist wertvoller, als nach Besitz und Ansehen zu streben. Ich bin besorgt über den Zustand der Welt, wegen des Einflusses, den dieser auf mich als Teil dieses lebenden Systems ausübt.“

 

Level 8: Ökologie und globales Denken und Handeln

Ökologisches und ganzheitliches Denken prägen die Werte- und Handlungsmuster auf Level 8. Verzichte und beschränke dich für das Ganze. Fraktale Unternehmenskulturen und Chaosmanagement sind die Organisationsformen. Weil alles zusammenhängt braucht es ganzheitliche Lösungen.

„Wenn ich Teil des Systems bin, bin ich Teil der Lösung und Teil des Problems. Wenn ich das Problem in mir löse erlöse ich die Welt. Mein Resonanzfeld wird in das Gruppenbewusstsein eingespeist und trägt zur ganzheitlichen Heilung bei.“

 

Quellen: Graves | Wilber | Netzker | Steufmehl